Was sind "Endokrine Ökotoxine"?
Endokrine Ökotoxine sind natürlich in Pflanzen vorkommende oder synthetische durch menschliche Aktivität in die Umwelt gelangte Chemikalien, die im Verdacht stehen, an verschiedenen Stellen im endokrinen System einzugreifen und die Geschlechtsdifferenzierung zu stören. Bei Organismen mit phänotypischer Geschlechtsbestimmung hat sich dieser Verdacht bereits bestätigt. Dagegen ist es offen, ob auch der Mensch gefährdet ist.
Beschreiben Sie die verschiedenen Möglichkeiten, wie bei niederen Wirbeltieren die Temperatur Einfluss auf die Geschlechtsbestimmung nimmt.
Man hat drei verschiedene Muster erkannt, wie die Temperatur bei der phänotypischen Geschlechtsbestimmung das Geschlechterverhältnis kontrolliert. Werden die Eier von bestimmten Eidechsen und Krokodilen konstant bei tieferen Temperaturen inkubiert, entstehen nur Weibchen. Höhere Inkubationstemperatur führt zu Männchen. Ein umgekehrtes Verhältnis findet sich bei bestimmten Schildkröten, bei denen hohe Inkubationstemperaturen der Eier Weibchen ergeben und tiefere Temperaturen die Entwicklung von Männchen fördern. Bei wieder anderen Eidechsen, Krokodilen und Schildkröten entstehen Weibchen sowohl bei höheren als auch tieferen Inkubationstemperaturen der Eier. Intermediäre Inkubationstemperaturen fördern die Entstehung von Männchen.
Was steht hinter dem Genlocus "SRY" des Menschen?
SRY ist ein auf dem Y-Chromosom unterhalb der pseudoautosomalen Region gelegenes Gen, dessen Produkt eine männliche Entwicklung einleitet. Man ist dem Gen auf die Spur gekommen, als man männliche Individuen mit einem 46, XX und weibliche Individuen mit einem 46, XY Chromosomensatz fand. In diesen Fällen war das SRY durch illegitime Rekombination entweder auf ein X-Chromosom übertragen worden oder vom Y-Chromosom verloren gegangen. Diese Geschlechtsumkehr (Sex Reversal) hat zusammen mit der Lage des Gens auf dem Y-Chromosom zur Namensgebung geführt.
Worauf beruht die Geschlechtsbestimmung bei Drosophila melanogaster?
Der entscheidende Faktor bei der Geschlechtsbestimmung von Drosophila melanogaster liegt im Verhältnis zwischen der Zahl der autosomalen Chromosomensätze und der der X-Chromosomen (Geschlechtsindex). Drosophila melanogaster besitzt ein XX/XYGeschlechtschromosomensystem mit zwei Sätze von Autosomen (AA) in beiden Geschlechtern. Geht durch meiotische Non-Disjunktion ein X-Chromosom verloren (X0), entstehen männliche Tiere. Individuen mit drei X-Chromosomen (XXX) sind Weibchen. Daraus wurde geschlossen, dass sich Individuen mit einem Verhältnis zwischen der Zahl der X-Chromosomen und den autosomalen Chromosomensätzen von weniger als 0,5 als Männchen entwickeln. Bei einem Geschlechtsindex von mehr als 1 sind die Individuen Weibchen.
Was ist ein Barr-Körperchen?
Ein Barr-Körperchen, sogenannt nach einem der Entdecker, ist ein stark kondensiertes und damit transkriptionsinaktives X-Chromosom in somatischen Zellen, das im Zuge der Dosiskompensation bei Säugern gebildet wird. Ein Barr-Körperchen ist nicht notwendigerweise mit dem weiblichen Geschlecht assoziiert. Patienten mit dem so genannten Klinefelter-Syndrom sind Männer. Sie haben ein überzähliges X-Chromosom (47, XXY), und die somatischen Zellen zeigen je ein Barr-Körperchen. Generell gilt, dass die Zahl der X-Chromosomen minus 1 die Zahl der Barr-Körperchen ergibt.
Was versteht man unter "Dosiskompensation" und wie wird sie vollzogen?
Im heteromorphen Geschlecht von Tieren fehlen im Y-Chromosom die allermeisten der mehreren Tausend Gene, die der homologe Paarungpartner in der Meiose, das X-Chromosom, trägt. Folglich ist in den beiden Geschlechtern eine ungleiche Dosis der X-codierten Genprodukte zu erwarten. Dies wird aber nicht beobachtet. Die ungleiche Menge an auf den Sex-Chromosomen sitzenden Genen in den beiden Geschlechtern wird mit zwei prinzipiell verschiedenen Mechanismen kompensiert. Da ist zum einen die Inaktivierung der überzähligen X-Chromosomen im weiblichen Geschlecht. Es werden von diesen Chromosomen - und Säugetiere zeigen dieses Muster - mit wenigen Ausnahmen keine Transkripte abgelesen. Zum anderen kann das einzige X-Chromosom im männlichen Geschlecht hyperaktiv sein. D. h. es werden mehr Transkripte abgelesen, um mit dem weiblichen Geschlecht gleichzuziehen. Die Taufliege, Drosophila melanogaster, zeigt dieses Muster.
Erklären Sie die Entstehung eines häufigen komplexen Geschlechtschromosomensystems!
Die häufigste Form der komplexen Geschlechtschromosomensysteme kann durch folgende Formel beschrieben werden: X1X2X1X2/X1X2Y. Sie hat sich aus dem einfachen XX/XY Geschlechtschromosomensystem durch eine Translokation zwischen dem Y-Chromosom und einem Autosom entwickelt. Das zweite X-Chromosom ist das homologe Autosom. In der männlichen Meiose segregieren die beiden X-Chromosomen zusammen.
Welche Formen der Geschlechtsbestimmung kennen Sie?
Man unterscheidet die genotypische, d. h. die primär durch chromosomale Faktoren geregelte und die durch Umweltfaktoren wie Temperatur und Standort gesteuerte Geschlechtsbestimmung. Beide Typen kommen im Tierreich in unterschiedlichster Form vor. Die so genannte Haplodiploidie ist eine Form der genotypischen Geschlechtsbestimmung, die bei sozialen Insekten, Coccoidea, Zecken und manchen Käfern zu finden ist.