Kapitel 5: Struktur von Nerven-/Sinneszellen

Worin unterscheiden sich passive Signalausbreitung und aktive Signalweiterleitung?

Passive, elektrotonische Signalausbreitung erfordert lediglich ein Ruhepotenzial und konstitutive Leitfähigkeiten, während aktive Weiterleitung zusätzlich spannungsabhängige Leitfähigkeiten benötigt.

Was unterscheidet exzitatorische von inhibitorischen postsynaptischen Potenzialen?

Erregende PSP ändern das Membranpotenzial in Richtung der Schwelle für Aktionspotenziale, i.d.R. durch Depolarisation, während hemmende PSP das Membranpotenzial i.d.R. durch Hyperpolarisation von der Schwelle wegführen.

Wodurch können neuronale Entladungsmuster bestimmt werden?

Intrazelluläre Strominjektion führt zu Aktivierung von spannungsabhängigen Leitfähigkeiten, die dann gemessen werden können.

Nennen Sie Beispiele für neuronale Kodierungsprinzipien (Amplituden-, Frequenz- und Latenzkodierung) von Reizinformation!

Transduktion von Licht in den Photorezeptoren der Netzhaut führt zu proportionaler Änderung des Membranpotenzials.

Verformung von Mechanorezeptoren führt zu entsprechender Änderung der Entladungsfrequenz afferenter Nervenfasern.

Kodierung von Temperatur und Temperaturänderung auf peripheren Nerven: die Entladungsfrequenz der Nervenfasern ist nicht eindeutig, während unter Zuhilfenahme der Intervallverteilung der Aktionspotenziale die Temperatur und deren Änderungen dekodiert werden können.

Worin besteht das Prinzip der Patch-Clamp-Technik und worin besteht der große Vorteil gegenüber konventionellen intrazellulären Ableitungstechniken?

Die zur Ableitung verwendete Glaspipette wird auf die Membran gesetzt und mit leichtem Unterdruck festgesogen, so dass der in der Pipettenspitze befindliche Membranfleck („patch“) von der umliegenden Membran elektrisch isoliert ist und unabhängig untersucht werden kann. Auf diese Weise lassen sich nicht nur einzelne Kanäle untersuchen, wenn der „gepatchte“ Membranabschnitt nicht zu viele Kanäle enthält, sondern man kann die Membran auch umdrehen („inside-out-patch“) oder die gesamte Zelle („whole cell patch“) ableiten.

Was versteht man unter einem Gleichgewichtspotenzial und wovon hängt es ab?

Eine für eine Ionensorte selektiv permeable Membran erreicht dann das Gleichgewichtspotenzial für diese Ionensorte, wenn die Diffusionstendenz der Ionen entlang ihres Konzentrationsgradienten mit der elektrostatischen Anziehung im Gleichgewicht steht. Das Gleichgewichtspotenzial ist durch den Konzentrationsunterschied, die Temperatur, die Wertigkeit des Ions und die zur Trennung einer bestimmten Ladungsmenge benötigten Arbeit determiniert und kann durch die Nernst-Gleichung ausgerechnet werden.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine biologische Membran erregbar ist?

Sie muss über ein Ruhepotenzial und über spannungsabhängige Leitfähigkeiten verfügen.

Was versteht man unter Konvergenz und Divergenz neuronaler Verbindungen?

Unter Konvergenz und Divergenz versteht man zusammenlaufende bzw. auseinanderlaufende Verbindungen, die die Aufgabe haben, Signale zusammenzuführen bzw. auf verschiedene Zielzellen zu verteilen. Divergente Verbindungen bestehen, wenn präsynaptische Zellen mit mindestens zwei, im Gehirn oft 104 postsynaptischen Zellen Verbindungen unterhalten. Analog bestehen konvergente Verbindungen, wenn mindestens zwei, im Gehirn oft 104 präsynaptische Zellen mit einer postsynaptischen Zelle Verbindungen unterhalten.

Was versteht man unter der Ein-Axon-Regel?

Fast universell hat jedes Neuron unter den vielen Fortsätzen nur ein Axon. Diese Regel hat sehr wahrscheinlich den Grund, dass schon strukturell eine Reduktion der eingehenden Signale und damit der Information erzielt werden soll.

Welche Rolle spielen Dornsynapsen?

Die sackförmigen Ausstülpungen der postsynaptischen Membran bilden eigenständige, von der umliegenden Dendritenmembran weitgehend isolierte Kompartimente.

Welche Bedeutung haben funktionelle Kompartimente für die Signalverarbeitung? Nennen Sie Beispiele!

Auf den elektrisch kompakten Abschnitten neuronaler Membranen können Signale wechselwirken und integriert werden. Der Axonhügel ist ein Kompartiment, das je nach elektrotonischer Länge eines Neurons nur ganz lokal oder aber über große Entfernung im Dendritenbaum Signale integrieren kann und als Ausgangssignale Aktionspotenziale bildet.

Was versteht man unter einem funktionellen Kompartiment?

Ein funktionelles Kompartiment ist ein zusammengehöriger Teil einer erregbaren Struktur, die eine oder mehrere konsistente Funktionen erfüllt.

Hirnareale, Module wie Schichten, lokale Schaltkreise, Neurone, Kompartimente in Substrukturen, Membrankanäle.

Dendriten, Soma, Axon. Dendritische Potenziale werden überwiegend durch synaptische Potenziale verursacht und dienen der Integration der verschiedenen Eingangssignale. Auf der Membran des Somas, an die der Axonhügel angrenzt, werden die Signale von den oft zahlreichen Dendriten zusammengeführt und durch wenige, meist inhibitorische Synapsen kontrolliert, bevor meist am Axonhügel Aktionspotenziale ausgelöst werden. Auf den Membranen des Axons wird neuronale Erregung aktiv weitergeleitet

Benennen Sie einige Organisationsebenen der neuronalen Informationsverarbeitung?

Hirnareale, Module wie Schichten, lokale Schaltkreise, Neurone, Kompartimente in Substrukturen, Membrankanäle.

Was unterscheidet die Problemlösungsstrategien von biologischen und technischen Systemen?

Technische Systeme enthalten häufig optimierte Lösungen für wenige Spezialaufgaben, während biologische Systeme breite Lösungsmöglichkeiten vorhalten müssen, damit sie in möglichst vielen verschiedenen Situationen das Überleben des Gesamtorganismus ermöglichen.

Welche Menge an Information (Größenordnung in 10x bit) können Sinnessysteme verarbeiten und motorische Systeme abgeben?

Sensorische Systeme können ca 5x108 bit/s aufnehmen, während motorische und sprachliche Äußerungen sich auf ~1/50, ~107 bit/s reduzieren. Ins menschliche Bewusstsein gelangen dann aber nur einige wenige bit/s, d.h. es findet eine erhebliche Reduktion statt.

Was versteht man unter Kodierung von Information?

Ein Kode ist eine Vorschrift für die Umwandlung eines eingehenden Signals (z.B. Tonhöhe) in ein ausgehendes Signal (elektrische Entladung des Hörnervs im Kontext des Hörens). Sie kann sich z.B. dadurch ändern, dass durch sehr laute Nebengeräusche ein Reflex ausgelöst wird, der die Schallübertragung massiv reduziert.
 

Inwiefern hat das Nervensystem mit der Verarbeitung von Information zu tun?

Sinnesreize von außen (extero-) und innen (enterozeptive Signale) liefern Information, die für die Planung und Umsetzung des Verhaltens in einen Kontext genutzt werden muss, um das Überleben und andere Lebensziele zu sichern. Die Umwandlung der Sinnesinformation in elektrische Signale erlaubt Nervensystemen, Information intern weiterzuleiten und zu verarbeiten. Auch die Planung und Steuerung des Verhaltens kann formal als Information beschrieben werden, sie ist dafür da im Lebenskontext Information an die Umgebung zu übertragen.

Wie kann man Information definieren und quantifizieren?

Informationen sind Muster von Energie- oder Materieformen, die für einen Betrachter in einem bestimmten Kontext Bedeutung haben. Der Informationsgehalt eines Ereignisses ist umgekehrt proportional zu seiner Auftretenswahrscheinlichkeit (Shannon). Übertragen auf Signale bedeutet dies, dass seltene Signale einen höheren Informationsgehalt haben als häufige. Der Informationsgehalt wird in Bit pro Sekunde angegeben.

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