Kapitel 4: Transkription

Was bedeutet der Begriff "Transkription"?

Als Transkription wird das Ablesen des genetischen Codes bezeichnet. Hierbei wird die Sequenz der DNA in eine entsprechende Sequenzabfolge von RNA übersetzt. Die Transkription ist der erste (und wichtigste) Schritt der Genexpression. Die hierfür benötigten Enzyme heißen RNA-Polymerasen. In der Regel verläuft der Informationsfluss von der DNA zur RNA (DNA-abhängige RNA-Polymerasen). Bei Viren, deren Erbinformation als RNA vorliegt, kann die RNA als Vorlage für eine neue RNA-Abschrift dienen (RNA-abhängige RNA-Polymerase, z.B. bei Influenza-Viren) oder die RNA wird zunächst wieder in eine DNA-Sequenzabfolge übersetzt. Dieser Vorgang wird als reverse Transkription bezeichnet; das entsprechende Enzym heißt reverse Transkriptase (Bsp. HI-Virus).

Kann ein codogener Strang gleichzeitig auch als codierender Strang dienen?

Der codogene (oder template-, minus-, Matrizen-) Strang ist der abgelesenen RNA-Sequenz komplementär. Der codierende Strang ist dementsprechend komplementär dem codogenen Strang. Für ein in einer Richtung abgelesenes Gen kann der codogene Strang nicht gleichzeitig auch codierender Strang sein. Es gibt aber zahlreiche Beispiele, vor allem bei Mikroorganismen und Viren, bei denen ein bestimmter DNA-Sequenzabschnitt von beiden Richtungen her transkribiert wird. Hier kommt jedem DNA-Strang eine Funktion sowohl als codogener als auch als codierender Strang zu (in Abhängigkeit von dem entsprechenden Gen).

Wodurch unterscheiden sich starke von schwachen Promotoren?

Starke Promotoren haben eine höhere Bindungsaffinität zu der RNA-Polymerase als schwache Promotoren. Dementsprechend kommt es häufiger zu einem Transkriptionsstart; es wird mehr RNA gebildet und entsprechend mehr Protein kann hergestellt werden, als dies bei einem schwachen Promotor der Fall ist.

Was sind "cis-" und "trans-" wirkende Elemente?

Die Begriffe "cis-" und "trans-wirkend" sind historisch begründet und werden in der aktuellen Literatur häufig verwendet. Als cis-wirkend (lat. cis: diesseits) werden DNA-Abschnitte bezeichnet, welche in unmittelbarer Nähe eines Gens liegen und einen Einfluss auf dessen Transkriptionshäufigkeit haben. Es kann sich hierbei um einen verstärkenden oder abschwächenden Effekthandeln. Entsprechend werden die dazugehörigen Sequenzabschnitte als "Enhancer" (to enhance: verbessern, verstärken) bzw. "Silencer" (to silence: zum Schweigen bringen) bezeichnet. Cis-wirkende Elemente sind Bindungsstellen auf der DNA für regulatorische Proteine. Diese regulatorischen Proteine werden als trans-wirkende Faktoren (lat. trans: jenseits) bezeichnet. Hierzu gehören z.B. Transkriptionsfaktoren.

Die Transkription kann auch im Reagenzglas (in vitro) unter definierten Bedingungen durchgeführt werden. Welche Faktoren bzw. Bedingungen sind hierfür mindestens notwendig?

Für die Durchführung einer In-vitro-Transkription sind notwendig: RNA-Polymerase, DNA-Matrize (template) und Nucleotide (NTPs: GTP; UTP; ATP; CTP). Zudem muss ein entsprechender Puffer gewählt werden (wichtig sind vorallem Magnesium-Ionen). Entscheidend ist, dass die RNA-Polymerase an die DNA binden kann. Hierfür muss ein entsprechender Promotor auf der DNA vorhanden sein. Des Weiteren muss auf der DNA auch ein Terminationssignal vorhanden sein. Die RNA-Polymerase kann entweder rekombinant hergestellt oder auch aus einer natürlichen Quelle isoliert werden. Als DNA-Matrize dient aus Geweben oder Bakterien isolierte DNA (z.B.Plasmide) oder auch durch PCR amplifizierte, lineare DNA.

Was ist der Unterschied zwischen einer "monocistronischen" und einer "bi- oder polycistronischen" mRNA?

Bei einer monocistronischen RNA befindet sich nur ein für ein Protein codierender Abschnitt auf der RNA. Bei einer bi- oder polycistronischen RNA befinden sich zwei oder mehrere Protein-codierende Abschnitte auf der mRNA. Bi-bzw. polycistronische mRNAs kommen nur bei Prokaryoten vor. Häufig sind Enzyme, welche innerhalb eines Stoffwechselweges benötigt werden (z.B.Eintransport und Umsetzung einer bestimmten Substanz), in bi- bzw. polycistronischen Genen angeordnet. Bei einer bi- bzw. polycistronischen mRNA muss jede Protein-codierende Sequenz neben einem Start- und Stop-Codon auch eine eigene Bindungsstelle für das Ribosom (Shine-Dalgarno-Sequenz) aufweisen.

Was ist ein "offenes Leseraster"?

Ein "offenes Leseraster" (engl. open reading frame, ORF) umfasst einen mit einem Start-Codon beginnenden und nicht durch ein Stop-Codon unterbrochenen DNA-Abschnitt. Somit kann ein ORF prinzipiell für ein Protein (bzw. eine RNA) codieren. Ob ein solches Gen tatsächlich transkribiert wird, hängt davon ab ob die entsprechenden regulatorischen Sequenzen (Promotor, Terminator, Bindungsstelle für das Ribosom etc.) vohanden sind. Im Rahmen der systematischen Genomsequenzierungsprojekte wurden zahlreiche DNA-Abschnitte identifiziert, welche als Gen dienen können. Abschnitte, deren Funktion noch unbekannt ist, werden auch als URFs (unidentified open reading frames) bezeichnet.

Welche prinzipiell unterschiedlichen Mechanismen der Termination gibt es bei Prokaryoten?

Es gibt zwei prinzipiell unterschiedliche Mechanismen der Termination bei Prokaryoten. Bei der intrinsischen Termination sind keine weiteren Faktoren (Proteine) notwendig. Hierfür ist alleine die Sequenz der DNA bzw. der transkribierten RNA maßgeblich. Solche Terminationssignale bestehen aus einer palindromen Sequenz. Die transkribierte RNA ist hierdurch in der Lage eine stabile Sekundärstruktur, die sogenannte Terminationsschleife, auszubilden. Bei der Rho-abhängigen Termination wird ein spezielles Protein, der Terminationsfaktor Rho, für die Termination benötigt. Dieser bindet an bestimmte Stellen der RNA und löst diese schließlich unter Energieverbrauch von der RNA-Polymerase ab.

Wodurch unterscheidet sich die Transkription bei Bacteria von der Transkription bei den Eukarya?

Bacteria und Archaea besitzen nur eine RNA-Polymerase. Die bakteriellen Polymerasen sind einfacher aufgebaut und bestehen aus weniger Untereinheiten. Die RNA-Polymerase von E. coli ist z.B. in der Lage, ohne weitere Transkriptionsfaktoren an die DNA zu binden, Promotor-Sequenzen zu erkennen und mit der Transkription zu beginnen (dennoch können diese Abschnitte jeweils durch unterschiedliche Proteine moduliert werden). Bei Eukarya gibt es drei unterschiedliche RNA-Polymerasen, welche jeweils unterschiedliche Gene transkribieren. Im Gegensatz zu den bakteriellen RNA-Polymerasen benötigen diese unterschiedliche Transkriptionsfaktoren, um an die entsprechenden DNA-Sequenzen (Promotor) binden zu können.

Nennen Sie Beispiele für Modifikationen der transkribierten RNA.

Bei Bacteria ist die Anheftung von Poly(A)-Sequenzen (Polyadenylierung) an mRNA eine häufige Modifikation.Transfer-RNAs (tRNAs) und ribosomale RNA (rRNA) werden aus einem Primärtranskript herausgeschnitten. Anschließend können noch weitere Veränderungen an bestimmten Nucleotiden erfolgen, z.B. die Übertragung von Molekülgruppen. Bei Eukarya finden noch umfangreichere Modifikationen statt. Hierzu gehört der Einbau charakteristischer Stukturen an das 3´-Ende vonmRNA ("Capping") oder das Ausschneiden bestimmter Abschnitte (Introns) bzw. Zusammenfügen bestimmter Abschnitte (Exons). Das Herausschneiden von Introns bzw. das Aneinanderfügen der Exons wird zusammenfassend als "Spleißen" bezeichnet. mRNAs werden - mit wenigen Ausnahmen - polyadenyliert. Eine Besonderheit der posttranskriptionalen Modifikation ist das Editing, das nachträgliche Ändern der RNA-Sequenz. Dies kann durch Einfügen von Nucleotiden (kommt nur bei Protozoen vor) oder gezieltem Umbau bestimmter Basen erfolgen (bei Eukarya weit verbreitet).

Was ist eine Voraussetzung dafür, dass es bei Eukarya umfangreichere Modifikationen der transkribierten mRNA gibt?

Eine Voraussetzung, dass bei Eukaryoten umfangreiche Prozessierungen (besonders das Spleißen) vorkommen, ist, dass Transkription und Translation räumlich getrennt sind. Bei Eukaryoten findet die Transkription und der überwiegende Teil der Prozessierung im Zellkern statt. Hier befinden sich keine funktionsfähigen Ribosomen und die prä-mRNA kann ungestört prozessiert werden. Die fertig prozessierte mRNA wird in das Cytoplasma exportiert, wo dann die Translation stattfindet. Eine versehentliche Translation der unreifen prä-mRNA ist somit ausgeschlossen. Bei Prokaryoten ist eine räumliche Trennung zwischen Transkription und Translation nicht gegeben. Hier kann die Translation bereits beginnen, während die mRNA noch transkribiert wird.

Was bedeutet "Capping"? Was sind dessen Funktionen?

Als "Capping" wird das Anfügen von bestimmten Modifikationen an das 5´-Ende der RNA bei Eukaryoten bezeichnet. Diese Modifikationen dienen als Schutz gegenüber dem Abbau von 5´-3´-Exonucleasen und werden durch jeweils spezifische Proteine erkannt. Ein Beispiel hierfür sind Proteine, welche für den Transport über die Kernmembran benötigt werden. In diesem Fall dient die 5´-Cap-Struktur als Kerntransportsignal.

Was bedeutet "Spleißen"? Welche Möglichkeiten des "Spleißens" gibt es?

Als Spleißen wird das Zusammenfügen von zwei RNA-Abschnitten zur funktionellen Form genannt, welche so im Genom nicht vorkommt. Die Spleißreaktionen werden aufgrund ihrers Reaktionsmechanismus unterschieden. Beim Selbstsspleißen kann aus einer RNA autokatalytische in RNA-Bereich (Intron) herausgeschnitten werden; hierbei werden die verbleibenden RNA-Bereiche (Exons) miteinander verbunden. Im Zellkern von Eukarya finden Spleißreaktionen meist in einer speziellen Struktur, dem Spleißosom, statt. Das Spleißosom ist, analog dem Ribosom, ein makromolekularer Komplex aus RNA und Proteinen. Nicht immer müssen jeweils die gleichen Abschnitte in einer bestimmten Reihenfolge miteinander gespleißt werden. Es können auch einzelne Exons ausgelassen werden oder unterschiedliche Exons an entsprechenden Stellen verwendet werden. Dieser Mechanismus wird als differenzielles oder alternatives Spleißen bezeichnet. Befinden sich die zu spleißenden RNA-Abschnitte auf unterschiedlichen RNA-Molekülen wird der Vorgang als Trans-Spleißen bezeichnet.

Was versteht man unter "RNA-Editing"?

Unter RNA-Editing versteht man die posttranskriptionale Veränderung der Nucleotidabfolge, in einer Art, in der diese nicht im Genom codiert ist. Dies kann durch Modifikation einzelner Basen (z.B. Desaminierung von Azu I) oder aber durch nachträglichen Einbau bzw. Deletion von Uridin-Nucleotiden erfolgen. Insertionen und Deletionen von Uridin-Nucleotiden kommen z.B. bei Trypanosomen vor.

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